Digitalradio-in-Deutschland im Interview mit Dana Diezemann

    Mehr Radio für’s Ländle – was ist das und wer braucht das?

    Auf dem Weg durch die Region Stuttgart stieß das Team von „Digitalradio in Deutschland“ auf einen interessanten neuen Betreiber, der diverse Test-Digitaldienste anbot. Das Angebot erstreckte sich über Bilder von einer Raumstation bis hin zu Bitraten- und Klangtests mit interessanten Musikmischungen. Alles unter dem Slogan „Mehr Radio für’s Ländle“.
    Angetrieben vom Slogan stellten wir uns schnell die Frage: Was ist das und wer braucht das? Auf dem Weg unserer Recherche stolperten wir über die Betreiberin Dana Diezemann, die uns bereitwillig Auskunft gab und uns das Sendernetz und das Ziel des Betriebs erklärte.

    Hintergrund des Anbieters:
    Die Landesanstalt für Kommunikation als auch die Länder haben das Ziel den Rundfunk vom analogen UKW Standard in die neue digitale Welt DAB+ zu transformieren. Kleinere kommerzielle Privatradioanbieter als auch die nicht kommerziellen freien Radios in Baden-Württemberg finden leider keinen Platz mehr in dem mit 16 Programmen belegten landesweiten. Da es in Baden-Württemberg aktuell keine regionalen Programmpakete gibt hat sich Dana Diezemann dies ehrenamtlich zur Aufgabe gemacht und mit dem privaten Vermögen ein eigenes Senderpaket mit dem Namen „RRBW“, was ausgeschrieben „Regionalradio Baden-Württemberg“ bedeutet, aus dem Boden gestampft.
    Auf unsere Frage wieso hier noch keinerlei kommerzielles Radioprogramm laufe und ob dies am mangelnden Interesse der Sender liegt verneint die Betreiberin. Aktuell sei das Ganze nur als Test lizensiert und in dieser Testphase ist ihr das Aussenden von regulären Radioprogrammen untersagt. Interessenten gäbe es hier durchaus, aber dazu müsse die Landesanstalt den Testbetrieb zum regulären Betrieb machen, was eher schleppend verlaufe und der Eindruck entstünde, dass die Landesanstalt für Kommunikation wenig Interesse an einer vollen Digitalisierung des Rundfunks habe, dabei seien wichtige Implementierungen wie ein EWF Kanal in dem Paket als Test und Infoschleife umgesetzt. EWF ist die Abkürzung für „Emergency Warning Feature“. Dieser Kanal kann Leben retten und wurde von der Politik explizit gewünscht um bei Katastrophenfällen wie beispielsweise im Ahrtal rechtzeitig warnen zu können.
    Da andere Paketanbieter im Digitalradio Baden-Württemberg einen solchen Service nicht in Planung haben, drängt sich uns die Frage auf, ob die Landesanstalt für Kommunikation sich gegen die Politik stellt. Dies verneint Dana Diezemann und gibt durchzublicken, dass offensichtlich die Wichtigkeit der Digitalisierung nicht erkannt wurde und die Einführung auch speziell dieses Systems nicht die Priorität zu haben scheint, die sie sollte, dennoch will die Betreiberin nicht aufgeben und strebt den Regelbetrieb an.


    Die Recherche:
    Zurück zum Bedarf: Wir möchten die Aussagen prüfen und beginnen unsere Recherche, welche UKW Programme aktuell noch nicht auf DAB+ abgebildet sind.
    Hier stoßen wir auf die privaten Hörfunkprogramme „Energy Stuttgart“, „Neckaralb Live“ und „Antenne 1 Rock & Pop Neckarburg“. Eine wie wir finden überschaubare Zahl, jedoch ist die heutige Empfangssituation höchst kritisch für die Programmanbieter, da UKW Programme zunehmend an Bedeutung in der DAB+ Welt verlieren.
    Bei den Nicht-Kommerziellen Radio Angeboten (auch freie Radios genannt) erkennen wir schnell das Ausmaß des Problems. Im Land gibt es aktuell 17 lizenzierte Programme, die ich hier als Nachweis namentlich erwähnen möchte: 1. Bermuda funk, 2. Radio Aktiv, 3. St. Hörfunk, 4. Freies Radio für Stuttgart, 5. Radio FIPS, 6. Querfunk, 7. Free FM, 8. Wüste Welle, 9. Helle Welle, 10. Freies Radio Freudenstadt, 11. Radio Dreyeckland, 12. Freies Radio Wiesental, uniFM, 13. PH 88.4, 14. Lernradio, 15. Horads, 16. Radio Hockenheimring, 17. AFN The Eagle Stuttgart.
    Dana Diezemann bestätigt mir, dass sie bereits mit vielen Anbietern im Austausch steht und diese die DAB+ Verbreitung unbedingt möchten, sich jedoch nicht gehört fühlen von der Landesanstalt für Kommunikation.
    Weitere Hintergründe:
    Ich möchte mehr über die Idee hinter „Regionalradio Baden-Württemberg“ erfahren und hake nach wie das Sendegebiet des Tests aktuell ist. Dana Diezemann erzählt mir, dass man aktuell zwei Standorte in Betrieb habe. Der erste ist in Abstatt bei Heilbronn, der zweite ist in Cleebronn. Moment – Cleebronn? Da bin ich doch vorher in meinen Recherchen drüber gestolpert. Mit einem bisschen schelmischen Lächeln frage ich die Betreiberin „Moment, Cleebronn – ist das nicht der Standort, auf dem Energy Stuttgart die stärkste UKW Frequenz hat?“ die Betreiberin nickt einvernehmlich und mir wird schnell klar, dass der Bedarf nicht nur akut ist, sondern auch gedeckt werden könnte, da ich mir bildlich ausmalen kann, dass es kein großes Thema sein dürfte im selben Standort ein bereits anliegendes Signal zu nutzen.
    Nun kommen in mir weitere Fragen hoch: wie möchte man hier mit diesen zwei Sendetürmen, die wohl die Regionen Heilbronn und Ludwigsburg erreichen eine Verbreitung für ein freies Radio schmackhaft machen welches in Stuttgart, Karlsruhe, Ulm oder wo auch immer seine Heimat hat?
    Die Betreiberin bestätigt mir, dass sie großes vorhabe und drei Kacheln einrichten wolle die die Sender als Zielgebiet nutzen können. Dazu wären mehrere Sendeanlagen vorhanden. Es wäre durchaus eine Kachel für Nord-Württemberg, eine badische Kachel und eine Süd-Württembergisch Kachel angedacht, jedoch sei der Testbetrieb nur für drei Standorte im Norden Stuttgarts genehmigt worden, wovon der dritte Standort wohl aus Zeitmangel gar nicht erst on Air gehen werde, da der Testbetrieb bereits zum 30.06.2023 ausläuft. Und es aktuell eine Aussicht auf irgendeinen Pilot- oder Regelbetrieb gibt.


    Zusammenfassung:
    Ich fasse zusammen – eine Notwendigkeit besteht, die Politik fordert, die Zukunft ist rein digital, Dana Diezemann ist rein mit eigenem Kapital und ehrenamtlich unterwegs, sprich opfert hier eigenes Vermögen und die Landesanstalt für Kommunikation handelt nicht im Sinne von Politik und Bürgern? Kann ich das so zusammenfassen?
    Dana Diezemann tut sich schwer, wie ich bemerke hier die richtigen Worte zu finden, man sieht die Enttäuschung über die fehlende Wertschätzung ist in ihr Gesicht geschrieben. Sie erklärt, dass die Landesanstalt für Kommunikation die Wichtigkeit und die problemlose Abbildung verstehen müsse. Sie mache das aus Leidenschaft und Freude an der Sache aktuell und das sei ein weit unkompliziertes Verhältnis im Aufbau der Struktur als mit einem kommerziellen Betreiber der sofort Fördergelder etc. in den Raum stelle.
    Ich verlasse Dana Diezemann mit einem unguten Gefühl, ich sehe der Kampfgeist der Betreiberin ist geweckt. Ich sehe aber auch, dass die Landesanstalt für Kommunikation massiven Handlungsbedarf hätte, diesen jedoch auszusitzen scheint.
    Möglichkeiten gibt es viele, das nehme ich an diesem Tag von Dana Diezemann mit, ob es der besagte politisch geforderte Warnkanal ist, Livebilder aus einer Raumstation oder aber auch sogar ein Timeshiftkanal, der ein Sendesignal um 5 Minuten zeitversetzt ausstrahlt, falls jemand eine Sendung zu spät eingeschaltet hat.
    DAB+ bietet die optimalen Voraussetzungen und Dana Diezemann hat den Weg bzw. den Bedarf erkannt – nicht kommerzielles Radio als Lücke in der DAB+ Welt ist der Weg zum Erfolg. Jedoch muss hier auch die politische Seite (die Landesmedienanstalt) mitspielen und um dies zu erreichen wird es ein langer Weg für den Dana Diezemann nach eigenen Aussagen auch einen langen Atem hat, sich jedoch wünschen würde diesen lieber als Energie ins eigene Projekt für futuristische Ergebnisse zu investieren statt in politische Lizenzierungskämpfe.
    Wir für unseren Teil sind angetan von den Ideen der Betreiberin und werden unsere Leser über Neuigkeiten zu diesem Projekt auf dem Laufenden halten.

    regionalradio-bw.de

    Diskussion im Forum Regionalradio-BW Mux

    Diskussion im Forum RRBW im Interview